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Beitrag vom 23.08.2010
Der Frieden zum Fest. Festivalleiterin ist Dr. Gisela Höhne, eine außergewöhnliche Frau - Regisseurin und Geschäftsführerin einer ungewöhnlichen Theaterinstanz
AVIVA-Redaktion
1. bis 3.09.2010. Ein besonderes Jubiläum für ein nicht ganz "normales" Theater. Das Berliner integrative Theater RambaZamba feiert seinen Zwanzigsten mit einem international besetzten Theaterfest
"Der Frieden – Ein Fest"
So lautet der Titel eines ganz besonderen Theaterfestivals, das vom 1. bis 3. September 2010 in der Berliner Kulturbrauerei stattfindet. Ein Open Air-Theater-Spektakel bei freiem Eintritt. Theater RambaZamba, das besondere Theater mit besonderen SchauspielerInnen.
20 Jahre RambaZamba, 20 Jahre Sonnenuhr e.V.. AVIVA möchte Ihnen diese besondere Theatergeschichte vorstellen und ans Herz legen. Und eine besondere Theatermacherin, Dr. Gisela Höhne, ohne die diese Erfolgsgeschichte nicht möglich geworden wäre. 2009 für ihren engagierten Einsatz für die Rechte von Menschen mit Behinderung mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Und wohl auch für ihre einfühlsamen Regiearbeiten.. "In jedem Stück, das ich mache, soll jeder mindestens einmal aufleuchten", sagt die Regisseurin, die zusammen mit einigen MitstreiterInnen dieses besondere Projekt im Sommer 1990 gründete.
RambaZamba
Der Name ist Programm. Ein Theater, bei dem "Behinderung als Stärke" zu erleben ist, wie die Frankfurter Rundschau schrieb. Viele Fans, fast immer ausverkaufte Aufführungen und begeisterte TheaterkollegInnen. "Hier am RambaZamba-Theater lerne ich als Schauspielerin sehr viel, wenn ich zuschaue", sagt Angela Winkler. Für sie ist es "das spannendste Theater augenblicklich in Berlin."
Es sind namhafte KünstlerInnen, die mit ihrem Namen und Einsatz die Theaterarbeit und bildende Kunst von RambaZamba unterstützen. Allen voran Angela Winkler, Max Raabe, Eva Mattes, Otto Sander, Meret Becker, Ulrich Matthes, Nino Malfatti, Elvira Bach oder Achim Freyer. Ein WhoisWho der deutschen Bühnen- und KünstlerInnenlandschaft.
Wer einmal eines der mittlerweile 27 Theaterstücke am RambaZamba-Theater in Berlin gesehen hat ist nicht nur bewegt, sondern begreift schnell: Behinderte, auch geistig behinderte Menschen, können ungeahnt kreative Leistungen bringen und großartige SchauspielerInnen sein. Mit über 100 erfolgreichen Gastspielen in Deutschland und ganz Europa avancierte RambaZamba zum "derzeit wichtigsten integrativen Theater Deutschlands" (Mainzer Allgemeine).
Die Vision einer starken Frau
Ganz am Anfang stand jedoch eine andere "Geschichte" – die Geburt eines Kindes. In den Worten von Gisela Höhne: "Als vor 33 Jahren mein Sohn Moritz mit dem Down Syndrom geboren wurde, glaubte ich, dass mein bisheriges Leben damit zu Ende wäre. Ich musste meinen Beruf als Schauspielerin aufgeben und mich von meinem Traum vom Theater verabschieden. (...) Inzwischen ist Moritz, von dem die Ärzte sagten, er würde nie etwas lernen können, ein wunderbarer Schauspieler und Musiker und steht mit vielen anderen Schauspielern, die wie er ansonsten zu den ´Verlierern´ der Gesellschaft gehören, auf der Bühne des Theaters RambaZamba und berührt die Sinne und Herzen der Zuschauer".
Bereits in den 80er Jahren gründete Gisela Höhne den Kinderzirkus "Bimbo", in dem ihr Sohn Moritz und dessen MitschülerInnen sich einer noch kleinen Öffentlichkeit in der damaligen DDR vorstellten. Im Jahr 1990 rief sie schließlich, zusammen mit Gleichgesinnten, den Verein "Sonnenuhr e.V." im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ins Leben. Seither leitet sie, gemeinsam mit dem Vater ihrer beiden Söhne, Klaus Erforth, den Verein mit seinem Theater "RambaZamba". Mehr als 150 zumeist geistig beeinträchtigte KünstlerInnen lassen hier ihrer Fantasie und Kreativität in allen künstlerischen Gewerken freien Lauf, professionell begleitet und unterstützt. Besonders im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung steht dabei die erfolgreiche Theaterarbeit der Ensembles unter dem Dach des "Sonnenuhr e.V.".
Im Jahr 2008 wurde ein weiteres Ziel erreicht, das sich Dr. Gisela Höhne, Klaus Erforth (ebenfalls Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande) und ihre MitstreiterInnen mit der Gründung des "Sonnenuhr e.V." gesetzt hatten. War bis dahin die künstlerische Arbeit nur im Freizeitbereich der KünstlerInnen möglich, so proben mittlerweile 29 der SchauspielerInnen unter dem Dach des Kooperationspartners VIA Werkstätten (WfMB), konnten mit Werkstattverträgen ausgestattet werden und üben nunmehr auch offiziell die Profession aus, die sie wahrnehmen – als gesellschaftlich fast akzeptierte KünstlerInnen.
Es ist eine Erfolgsgeschichte. Vielfach ausgezeichnet. Und als wäre dies nicht genug, hat sich das Theater RambaZamba durch seine beachteten Erfolge schließlich auch den Status einer dauerhaft durch den Berliner Senat geförderten Bühne "erspielt und erkämpft". Ebenfalls ein Novum in der Bundesrepublik. Das Theater RambaZamba ist das einzige integrative Theater, das eine solche offizielle Anerkennung erhielt. Den Löwenanteil davon trägt der Berliner Kultursenator, Klaus Wowereit, aus seinem Topf.
Das Festival, ein Theaterfest
Zu feiern gibt es also wahrlich genug. "20 Jahre RambaZamba, 20 Jahre Sonnenuhr", heißt es in der Einladung zu den Feierlichkeiten, und die haben es in sich. Eine große Inszenierung, ein multi-mediales Spektakel. 80 SchauspielerInnen aus drei Ländern, eine große Inszenierung über drei Tage. Open-Air bei freiem Eintritt in einer prominenten ´Location´. Open Air in der Berliner Kulturbrauerei. Ein internationales Theaterfest.
"Ich hatte schon lange die Idee, ein großes Stück für die Straße oder Plätze draußen zu machen, um sich draußen zu zeigen. Wir kommen raus", sagt dazu Gisela Höhne. "Das Jubiläum 20 Jahre bot sich dafür an, und ich schlug denn ´Frieden´ von Aristophanes dafür vor. Die Botschaft ist klar und noch immer aktuell. Dazu kommt das Komödiantische an dem Stück, das unserer Auffassung entgegenkommt, sehr ernste Themen komödiantisch darzustellen".
Ein Fest wohl in jeder Hinsicht. Ein Spektakel auf jeden Fall. Es treten alle SchauspielerInnen des Theaters RambaZamba (Ensemble Gisela Höhne, Gruppe Kalibani, Zirkus Sonnenstich) und die KünstlerInnen der Sonnenuhr auf, dazu die integrative Theatergruppe "Wings" ("Kenafayim") aus Tel Aviv. "Wings" bedeutet Flügel. "Mit Flügeln kann man Fliegen und Höhen erreichen, die weit über den vorstellbaren Grenzen liegen". Dies zu demonstrieren ist das Ziel der recht jungen, 2004 gegründeten Gruppe, die mit ihren Auftritten in Israel bereits für einiges Aufsehen sorgte. Kenafayim wird das Festival durch ihre ureigene Interpretation der antiken Vorlage von Aristophanes bereichern. Mit im Gepäck haben die israelischen KünstlerInnen aber auch den einen Wunsch… nach Frieden.
"Ganz wichtig"!, so Gisela Höhne, ist ihr das polnische Straßentheater "Teatr Osmego Dnia". Das polnische Ensemble gilt als "Die Rolling Stones des Straßentheaters". Man kann wohl mehr als gespannt sein.
Es wird wohl, wie bei dem "total verrückten Theater RambaZamba" nicht anders zu erwarten, ein unkonventionelles Festival. Denn anders als bei vergleichbaren Festivals werden die teilnehmenden Theater keine Eigenproduktionen zeigen. Stattdessen wird eine gemeinsame Inszenierung erarbeitet und zur Premiere gebracht. Zur Inszenierung kommt "Der Frieden", frei inszeniert nach der antiken Vorlage von Aristophanes.
Warum denn diese alte Vorlage für die aktuellen Feierlichkeiten? Dazu sagt Gisela Höhne, nunmehr in ihrer Funktion als Festivalleiterin: "Es gibt eine soziale Verantwortung, die eigentlich alle Menschen zumindest offiziell unterschreiben würden. Dazu gehört Frieden. Man muss alles dafür tun, dass die Menschen verstehen, dass man miteinander redet statt zu kämpfen um materiellen Vorteil. Die gesamte Glücksforschung der letzten Jahre belegt, dass Macht, Geld und Reichtum nicht glücklich machen, sondern reiche soziale Beziehungen das Einzige sind, das langfristig zu Glück führt. Diese zu pflegen, kann Kriege vielleicht fragwürdiger machen. Übrigens: Menschen mit Down Syndrom sind die friedlichsten Menschen. Lernen wir von ihnen!"
Das Stück von Aristophanes beginnt jedoch mit dem Krieg, der schon solange andauert, dass die Götter ausgewandert sind und nur noch der Krieg die Welt verwaltet. Mit dem Witz des Olivenbauern gelingt es Trygajos, den Krieg zu überlisten und den Frieden zu retten.
Wer ihm hilft, wer durch Zank und Eigennutz nichts erreicht, wer das größte Interesse am Krieg hat, das wird - von Aristophanes angeregt - von den Sonnenuhr-Narren und ihren Partnern mit Geschichten und Metaphern, Masken und Verwandlungen neu erzählt. Der Krieg ist vorbei, die Oliven sind reif… seien wir gespannt.
Internationales Open-Air Theaterfestival Der Frieden – Ein Fest. JUBILÄUM - 20 Jahre RambaZamba, 20 Jahre SONNENUHR
(basierend auf dem antiken Stück von Aristophanes)
Mit dem polnischen Straßentheater "der 8. Tag" (Teatr Osmego Dnia), der israelischen Theatergruppe "Wings" (Kenafayim) und allen SchauspielerInnen und KünstlerInnen des Theaters RambaZamba und der Sonnenuhr Ateliers.
Vorstellungen:
Premiere am 1. September, 20:30 mit anschließendem Feuerwerk
Weitere Aufführungen am 2. und 3. September, je 20:30
Ort:: Hof II der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg
Der Eintritt zu allen Aufführungen ist frei
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.der-frieden-ein-fest.de
und
www.theater-rambazamba.org